Interview mit der Chancengleichheitsbeauftragten des Rems-Murr-Kreises Larissa Zimmermann – aufmerksam wurden wir durch einen Zeitungsartikel. Darin war zu lesen, dass der Rems-Murr-Kreis schon seit einiger Zeit mit einem Leitfaden zur gendergerechten Sprache arbeitet. Zack war unsere Neugier geweckt und wir fragten bei Larissa Zimmermann nach.
Larissa Zimmermann ist seit Ende 2022 als Chancengleichheitsbeauftragte im Landratsamt Rems-Murr-Kreis die zentrale Ansprechpartnerin im Landratsamt und im Kreis zu allen Belangen hinsichtlich der Gleichstellung.
Görsch & Rosenbohm: Sie haben bereits 2019 einen Leitfaden zur gendergerechten Sprache herausgegeben. Wie ist dieser damals entstanden?
Larissa Zimmermann: Über Sinn und Zweck einer gendergerechten Sprache wurde auch schon 2019 viel diskutiert. Unserer damaligen Ansicht nach aber zu Recht: Denn die Verwendung von Sprache prägt unsere Vorstellung eines Sachverhalts maßgeblich. Verwendet man die weibliche Form, ist einem sofort klar, dass eine Frau gemeint sein muss. Verwendet man die männliche Form, so gilt aber tatsächlich nichts anderes. Wird also ausschließlich die männliche Form genutzt, so entsteht eine Vorstellung, dass die handelnden Personen männlich sind. Beispielsweise Bürger, Kunden, Doktor, Erzieher oder Ersthelfer.
Daher hat sich die damalige kommunale Gleichstellungsbeauftragte gemeinsam mit den Führungskräften des Landkreises entschieden, einen Leitfaden mit praktischen Hilfen und Beispielen für die Anwendung einer geschlechtsneutralen Sprache herauszugeben. So ist der Leitfaden zur gendergerechten Sprache entstanden.
Görsch & Rosenbohm: Können Sie sich noch an die ersten Reaktionen erinnern, sowohl innerhalb als auch außerhalb Ihrer Verwaltung?
Larissa Zimmermann: „Der Leitfaden soll keine festen Regeln vorgeben, sondern Sie bei Ihrer täglichen Arbeit darin unterstützen, situations- und sachangemessen und dennoch stets verständlich eine geschlechtsneutrale Sprache zu verwenden. Sie sollen praktische Tipps erhalten, um in unseren Schreiben aber auch in unserem Sprachgebrauch eine geschlechtsneutrale Formulierung zu finden.“
So wurde die Einführung damals kommuniziert – der Fokus lag also auf der Unterstützung durch den Leitfaden. So und auch durch das Mitwirken der Führungskräfte gab es kaum beziehungsweise wenn, dann nur positive Resonanz.
Görsch & Rosenbohm: Wie haben Sie die Mitarbeitenden Ihrer Verwaltung auf die gendergerechte Sprache vorbereitet und wie schaffen Sie es, dass die Empfehlungen auch umgesetzt werden?
Larissa Zimmermann: Kommunikation! Bei der Einführung des Leitfadens wurden die Mitarbeitenden entsprechend sensibilisiert, den Leitfaden zu nutzen. Das wurde so fortgeführt – auch nach mehrjährigerer Nutzung. Regelmäßig werden die Mitarbeitenden auf den Leitfaden hingewiesen – entweder über die Führungskräfte oder den internen Newsletter. Letztlich ist es wichtig, hier die Führungskräfte an Bord zu haben, da diese am nächsten an der täglichen Kommunikation der Mitarbeitenden dran sind.
Görsch & Rosenbohm: Eine Kritik am Gendern ist, dass Texte dadurch unlesbar würden. Ist das auch Ihre Erfahrung?
Larissa Zimmermann: Das ist weniger unsere Erfahrung. Unser Leitfaden beruht darauf, Worte und Bezeichnungen – wenn möglich – geschlechtsneutral zu formulieren. Dadurch ergibt sich kein unangenehmer Lesefluss. Es erfordert gegebenenfalls das Umstellen von Sätzen beim Verfassen eines Texts, beim Lesen ist es dafür nicht „unrund“. Wo das Umformulieren nicht möglich ist, soll nach unserem Leitfaden die männliche und weibliche Form genutzt werden.
Görsch & Rosenbohm: Eine Ihrer Empfehlungen lautet, auf neutrale Formulierungen zurückzugreifen. Das bedeutet, zum Beispiel Wörter wie Lehrkraft oder Vertrauensperson zu nutzen. Damit werden alle Geschlechter angesprochen: männlich, weiblich und auch diejenigen, die sich selbst nicht als Frau oder Mann beschreiben. Wie wichtig ist es für eine Behörde, dass sich auch alle mitgemeint fühlen?
Larissa Zimmermann: Als öffentliche Verwaltung sind wir für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises zentrale Anlaufstelle und Dienstleister. Die Bürgerinnen und Bürger sind dabei vielfältig – und so sollte sich diese Vielfalt auch in der Sprache der Verwaltung wiederfinden. Daher ist das Gendern wichtig, damit sich alle gleichermaßen angesprochen, mitgenommen und gesehen fühlen.
Görsch & Rosenbohm: Danke, Frau Zimmermann, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen und unsere Fragen beantwortet haben.