Viel Lärm ums Gendern: Wenn wir die Debatte um das Gendern betrachten, könnte man meinen, dass alle Texte nur so vor Sternen strotzen. Dass die wenigsten Texte verständlich sind, weil sie Genderzeichen enthalten. Ist das so? Wir haben uns diese Aussagen genauer angesehen und festgestellt … Lesen Sie einfach weiter.
Das erfahren Sie in diesem Beitrag
Dieser Beitrag wurde in einer gekürzten Fassung zuerst in einer Verbandspublikation des VFLL veröffentlicht.
Zu Beginn eine Zahl: 0,005 Prozent. Die Zeitschrift DER SPIEGEL untersuchte, wie oft 2023 in deutschen Medien Genderzeichen genutzt wurden, um mehrere Geschlechter zu benennen. Es wurden 19 Publikationen untersucht. Ergebnis: Nicht einmal 0,005 Prozent aller Wörter enthielten Genderzeichen. Ein weiteres Ergebnis ist, dass derzeit neutrale Begriffe bevorzugt zum Gendern genutzt werden.
Wird die aktuelle Debatte um das Gendern mit der Prozentzahl 0,005 in Einklang gebracht, stellt sich die Frage, worum es in der Auseinandersetzung ums Gendern eigentlich geht. Bevor wir diese Frage aufgreifen, betrachten wir die Funktion der Genderzeichen.
Worum es bei den Genderzeichen geht
Ausgehend von der feministischen Frauenbewegung und der Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch mit ihrem Werk „Das Deutsche als Männersprache“ wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren das generische Maskulinum infrage gestellt: Warum sollen bei der männlichen Variante Lehrer auch Frauen mitgemeint sein?
Spoiler: Inzwischen wissen wir, dass das generische Maskulinum nicht funktioniert. Fragt man Menschen nach ihrem Lieblingsmusiker, werden spontan mehr Musiker als Musikerinnen genannt. Wird nach Lieblingsmusikerinnen und Lieblingsmusikern gefragt, werden mehr Musikerinnen genannt. Würde man nach Lieblingsmusiker*innen fragen, sähe das Ergebnis nochmals anders aus.
Als Alternative wurde damals das Binnen-I eingebracht: LehrerInnen. In jener Zeit etablierte sich auch die Schreibweise mit Schrägstrich und Bindestrich: Lehrer/-innen. Anfang der 2000er-Jahre kam der Gender-Gap auf: Lehrer_innen. Damit wurde das binäre System Mann/Frau um weitere Geschlechter erweitert. Die buchstäbliche Leerstelle strahlte jedoch nicht die passende Symbolik aus. Zusätzlich werden auch Doppelpunkt und Mediopunkt zum Gendern genutzt.
Der Genderstern wurde in England bereits in den 1990er-Jahren verwendet, um weitere Geschlechtsidentitäten einzuschließen. Er etablierte sich auch in der deutschen Sprache. Derzeit ist der Genderstern das am meisten genutzte Genderzeichen und wird, wenn es ein Genderzeichen sein soll, vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband empfohlen.
Anfangs sollten mit dem Genderzeichen Frauen sichtbar gemacht werden; das Binnen-I war die erste visuelle Genderlösung. Inzwischen geht es um mehr: Mit den derzeitigen Genderzeichen wie dem Genderstern werden alle Menschen jeglichen Geschlechts repräsentiert.
Einige Argumente gegen das Gendern
Wenn wir mit dem Genderstern alle Menschen einschließen können, warum tun wir das nicht? Hier sind einige Argumente, die immer wieder kontra Gendern genannt werden.
Über das Gendern wird immer wieder gesagt, dass es den Menschen vorschreibt, wie sie zu sprechen und zu schreiben haben. Eine solche sprachliche Bevormundung wird von jenen, die gegen das Gendern sind, abgelehnt.
Das Gendern, so wird weiter ausgeführt, mache Texte unlesbar, hier wird vor allem der Stern genannt. Durch Doppelnennungen oder Umformulierungen könne der Text zudem länger werden.
Genderzeichen sind nicht dudenkonform und entsprechen somit nicht dem amtlichen Regelwerk der deutschen Sprache.
Ein weiteres Argument gegen das Gendern ist die Barrierefreiheit. In diesem Zusammenhang wird angebracht, dass Screenreader bei den Genderzeichen an ihre Grenzen stoßen.
Die sprachliche Komfortzone zu verlassen, fordert manche Menschen (zu) sehr. Es ist einfacher, in sprachlich gefestigten Strukturen zu bleiben. Der Genderstern, so ein weiteres Argument, politisiert und trägt unnötig zur Polarisierung der Gesellschaft bei.
Einige Argumente für das Gendern
Mit dem Gendern fördern wir die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung aller Menschen. Gleichzeitig ist das Gendern ein Zeichen des Respekts. Es ist wertschätzend und höflich, alle Menschen so anzusprechen, wie sie es sich wünschen.
Wenn wir uns neutral ausdrücken, bereiten wir den gedanklichen Boden dafür, über traditionelle Geschlechterrollen offener nachzudenken. Wer sprachlich nicht vorkommt, verliert oder hat gesellschaftlich weniger Bedeutung.
Gendern ist meist leichter als gedacht. Denn jenseits der Genderzeichen existieren viele Möglichkeiten, sich klar und differenziert auszudrücken; Stichwort: neutrale Formulierungen.
Bleibt die Frage, worum es beim Gendern wirklich geht. Ganz sicher lässt sich dies nicht pauschal beantworten, denn Sprache ist persönlich. Doch vielleicht kann diese Frage ein Impuls sein, für sich mehr Klarheit in das Thema Gendern zu bringen.
Fazit: Viel Lärm um wenig
Viel heiße Luft ums Gendern.
Genderzeichen wie der Genderstern werden deutlich weniger benutzt, als das die Debatte darüber suggeriert.
Wo ein Wille ist, ist auch die Sprache.
Gendern ist viel mehr, als Sterne über einen Text zu streuen. Wer neutral formuliert gendert auch.
Gendern ist auch eine Haltung.
Wollen wir in einer Gesellschaft leben, die bewusst Menschen ausschließt, oder möchten wir versuchen, alle Menschen einzuschließen?
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